I. 1. ERSTES VORHABEN DES BUCHES

Z

uerst ist es nötig, festzustellen, was ein Nomen und was ein Verb sei, danach, was Negation und Affirmation {sind}.
Zuerst soll man sagen, was ein nomen und ein verbum sei, aus denen eine negatio wird und eine affirmatio, danach, was sie selber seien.
Und eine Aussage.
Und was ihrer zweier genus sei: id est enuntiatio.
Und eine Rede.
Und was auch dessen genus sei: id est oratio.
 
Es ist also das, was im Sprachlaut ist (d.h. die Sprachlaute selbst) Zeichen dessen, was an Eindrücken in der Seele (d.h. {aufgenommene} Begriffe) ist, und das, was geschrieben wird (d.h.: Buchstaben) {ist Zeichen} dessen, was im Sprachlaut ist (d.h. der Sprachlaute).
Vernimm zuerst, dass die genannten sechs voces sind. Als wenn er sagen würde: Nomen, Verbum, Negatio, Affirmatio, Enuntiatio, Oratio sind Offenbarungen und Zeichen der Gedanken, und ihre Zeichen wiederum sind litteræ. Dieselben Gedanken fügen der Seele gewisse Erduldungen zu, sobald sie aufgenommen werden in anima. Daher nennt er sie passiones animæ.
 
Und wie die Buchstaben nicht bei allen die gleichen {sind}, so {sind} es auch die Laute nicht.
Und so wie aller Völker Schriften nicht gleich sind, sind {es} umso mehr ihre Sprachen nicht.
 
Die an erster Stelle aber, von denen diese Zeichen sind, sind allen gleiche Eindrücke der Seele.
'Quorum' und 'primorum', das sind neutra anstatt feminina. Es heißt:
Es sind die gleichen Eindrücke der Seele bei allen Völkern, derer an erster Stelle befindlichen (sprich Eindrücke) diese Sprachlaute Zeichen sind.
Allen Völkern sind die vorausgehenden Gedanken gleich, deren Zeichen die Laute sind.
 
Und {diejenigen}, von denen diese {Eindrücke} Ähnlichkeiten sind, sind wiederum die gleichen Dinge - das heißt:
die Dinge sind wiederum die gleichen, von denen diese (sprich: Eindrücke) Ähnlichkeiten sind.
Auch die Dinge, deren Ähnlichkeiten die Gedanken sind, sind an allen Orten stets dieselben.
So wie bittere Dinge sind und süße und Holz ist und Steine, Gold und Silber und andere creaturae: Die bildet der Geist ab, sobald er daran denkt.
 
Von diesen {Eindrücken} ist allerdings die Rede in den {Schriften}, die von der Seele handeln. Es heißt:
In den {Schriften}, die von der Seele handeln (d.h. von den Erkenntnissen der Seele), ist von diesen {Dingen} allerdings genug gesagt.
Von der Erkenntnis der Seele ist für dieses Mal genug gesagt.
 
Das gehört zu einem anderen Aufgabenfeld.
Es ist an einem anderen Werk, von ihren passionibus zu sprechen.
 
Ebenso wie aber in der Seele mal ein Gedanke ist, ohne wahr oder falsch {zu sein}, mal hingegen {einer in der Seele} (ist), bei dem es sogleich notwendig ist, dass eines von beiden enthalten ist, so auch in der lautlichen Äußerung.
Die Wörter haben Entsprechungen der Gedanken.
Ebenso wie bisweilen Gedanken weder wahr noch falsch sind, bald aber eines von beiden sind, so sind auch die Wörter, die ihnen folgen.
 
Je nach Zusammensetzung und Trennung aber gibt es Falschheit und Wahrheit.
Das Zusammenlegen oder Trennen von substantiam und accidens ergibt wahr oder falsch.
Lege 'homo' und 'currit' zusammen, so heißt es: "homo currit" - das ist wahr oder falsch. Scheide sie mit dem adverbio 'non' {voneinander}, so heißt es: "homo non currit" - das ist abermals entweder wahr oder falsch.
 
Nomen und Verben selbst sind also dem Gedanken ohne Zusammensetzung oder Trennung ähnlich (d.h. ohne 'est' oder 'non est').
Einfache Wörter sind einfachem Verständnis gleich,
denn sie sind sowohl ohne Bestätigung als auch ohne Leugnung, weil keines von ihnen dann wahr oder falsch ist.
Wie 'homo' oder 'album', wenn nicht etwas hinzugefügt wird. Denn so lange ist es noch nicht wahr oder falsch.
Ebenso wie von diesen dann noch keines wahr oder falsch ist, wenn man denkt oder spricht 'homo' vel 'album', wenn man nicht etwas hinzufügt.
 
Ein Zeichen dafür ist dies:
Ich gebe dir ein exemplum für das,
das weder wahr noch falsch ist, obwohl es ein compositum sei:
'Hircocervus' bezeichnet nämlich etwas.
'Hircocervus' bezeichnet {etwas},
das beides zusammen ist, Bock und Hirsch, und ist ein compositum nomen.
Aber was noch nicht wahr oder falsch ist.
Es ist aber ein solches nomen, das weder wahr noch falsch bezeichnet.
Wenn nicht entweder 'esse' oder 'non esse' hinzugefügt wird, in einfacher Weise oder dem Tempus gemäß.
Wenn man nicht ein verbum dazu spricht, einfach ohne tempus oder mit tempore.
Das sagt er, weil præsens nur die Scheidegrenze der temporum ist, und praeteritum sowie futurum wiederum selbst die tempora sind. Wenn du nicht sagst "hircocervus est" vel "... fuit" vel "... erit", kann es auch anders nicht wahr oder falsch sein, obwohl es ein compositum sei.