4 gedáncho] Wie Staeves feststellte, verwendet Notker gedáng überwiegend zur Übersetzung von cogitatio sowie meditatio im Psalter; hier erweitert er die Semantik, die zuvor nur den Vorgang des Denkens sowie das Ergebnis des Denkvorgangs, das "Ausgedachte", die "Erfindung" umfaßte, um die Bedeutungen "Vorstellung", "Begriff" (vgl. Staeves 1996, S. 42f.). Die Wiederaufnahme des Wortes (gedáncha) zeigt, daß Notker gedáng und passio animæ nicht als vollkommen gleichwertige Begriffe ansieht, wenngleich er Aristoteles im letzten Satz des Abschnitts unterstellt, er bezeichne die gedáncha mit passiones animæ. Wörtlich verstanden ergäbe das die Schwierigkeit, daß die Gedanken zugleich der Seele ein "Leiden" (passio) bzw. eine Erfahrung zufügen und mit dieser Erfahrung identisch sind. (Vgl. die Erläuterung zu conceptæ unten. Eine Differenzierung von Gedanken an sich und der durch sie hervorgerufenen Wirkungen in der Einzelseele käme in die Nähe der Fregeschen Auffassung, daß die Gedanken - vermittelt durch den Sinn von Sprachzeichen - immer schon objektiv vorhanden sind und von der Seele nicht gebildet, sondern erfaßt werden. (Vgl. Weidemann 1994, S. 150-153.