4 dólúnga] Notker verwendet diesen Ausdruck im 8. Kapitel (nach der heute gängigen Einteilung in 15 Kapitel) der Kategorien, um passio zu übersetzen. Wahrnehmung wird dort als ein Affektiertwerden (passio) der Sinne durch sinnlich erfaßbare Eigenschaften (passibiles qualitates) an realen Gegenständen dargestellt.(vgl. Nk 98,20-99,21). Notker bringt in seiner Kategorien-Bearbeitung (Nk 99, 13f.) die Aussage auf den Punkt:
Únserên sensibus sínt siu máchârra dólungo.
"Unseren sensibus (Sinnen) sind sie [d.h. die qualitates an den Gegenständen] bringer von Erduldungen."
Weitere semantische Merkmale des Wortes dólunga sind, daß die damit bezeichnete Erduldung bzw. dieses Leiden nur von kurzer Dauer und ohne bleibende Auswirkung ist (vgl. dazu Nk 102,19-21, Staeves 1996, S. 44 sowie das Notker-Glossar). Strenggenommen liegt allerdings hier eine andere Art von dólúnga/passio vor als an der genannten Kategorien-Stelle, denn dort sind es die Sinne und damit körperliche Vermögen, die affektiert werden, hier aber der passive Teil der Denkseele, und damit ein geistiges Vermögen. Die Verwendung ein und desselben Ausdrucks hierfür unterstellt eine Analogie zwischen den beiden Vorgängen.